Sonntag, 8. Juni 2014

Liebe ist nicht gleich Liebe.




Nur mal meine ganz persönliche Meinung. Ich will niemandem etwas aufzwingen oder irgendwelche allgemeingültigen Richtlinien oder Lösungen aufstellen - nur vielleicht mal einen kleinen Denkanstoß geben.

Wir haben ein grundsätzliches Problem mit der sogenannten Liebe in unserer Gesellschaft - und dieses Problem findet ihren Ursprung, so wie die meisten anderen Probleme auch, in einem Missverständnis, das auf mangelnder Reflexion gründet.

Vorweg: Ich führe ein lächerlich kitschiges Leben wie der junge Werther - Der gesamte Sinn, den ich meiner Existenz und meinem Fortstreben zuschreibe ist die Liebe. Alles in mir ist romantisch verklärt - ich bin also kein verbitterter Nihilist, der die Arme verschränkt um allen den Spaß zu verderben, ich bin eher im Gegenteil überemotional-theatralisch-romantisch.
Ja, tatsächlich: Amare et sapere vix deo conceditur - Lieben und gleichzeitig vernünftig sein, das vermag nicht einmal ein Gott. Aber selbst so ein hoffnungsloser Fall wie ich, der auch nicht immer alles vernünftig macht, sollte doch zumindest fähig sein die Augen zu öffnen, zu reflektieren und es beim nächsten Mal besser zu machen - Gefährliche Gefühle,die mich blind machen wollen, in der Vernunft ersticken.

Wir haben zweierlei Grundprobleme:

1.) Leute "verlieben sich auf den ersten Blick"
Sprich: Wir finden jemanden aufgrund seiner Erscheinung - ganz gleich ob damit sein reines Aussehen gemeint ist, seine Ausstrahlung, sein Charisma, etc. - so attraktiv, dass ein Gefühl der "Verliebtheit" einsetzt.
Daran hängen sich nun die Meisten auf, verlieben sich nicht in einen Menschen, sondern in eine Hülle, die sie verklären. Heißt im Klartext: Wir beginnen Menschen Eigenschaften zuzuschreiben, von denen wir uns überhaupt nicht sicher sein können, ob sie sie überhaupt besitzen. Wir projezieren eine Persönlichkeit in diese Hülle hinein, die wir sehen wollen und verlieben uns dann in einen Geist den wir selbst erschaffen haben und nicht tatsächlich erfahren haben. Glorifizierung.
Selbstverständlich habe ich das an mir selbst auch schon mehr als einmal erlebt und selbstverständlich tappe ich auch hin und wieder in diese Falle aber genau hier ist der Punkt an dem man ungemütlicherweise die Zähne zusammenbeißen muss und etwas aufbringen muss, was sich "Geduld" nennt: wir müssen diesen Menschen kennen lernen, um herauszufinden, ob wir uns tatsächlich in ihn verliebt haben oder ob wir uns in unsere Vorstellung verliebt haben.
Wir verrennen uns vielleicht sogar in einen Menschen, der eigentlich überhaupt gar kein Interesse hat - haben ihn aber auch schon längst glorifiziert und trauern dann den Rest unseres Lebens einem Menschen hinterher, den es so eigentlich nie wirklich, sondern nur in unserer Vorstellung gegeben hat.
 Erstaunlicherweise wählen die Wenigsten einen Partner der vernünftig für sie wäre, sondern lediglich den besonders Spannenden, so unvernünftig dieser auch zu sein scheint. Am interessantesten ist ja bekanntlich das, was man nicht haben kann.

Nun haben es aber einige eilig - weshalb? Wenn mein Gegenüber nicht bereit ist diese Zeit aufzubringen, sollten wir es sowieso vergessen. Ja, natürlich ist das verlockend und im Hinblick auf das hübsche Gesicht was wir vor uns sehen solch eine Zeitverschwendung! Aber wenn ich mir nicht im Voraus die Zeit nehme mein Gegenüber zu demaskieren, werde ich das in meiner sogenannten Beziehung nachholen müssen und das gibt nach spätestens einem Jahr bekannterweise immer ganz großen Knatsch, weil man dann endlich gemerkt hat, dass der Partner ja "gar nicht so ist wie man ihn kennengelernt hat". Sprich: gar nicht so ist, wie man ihn eigentlich gern gehabt hätte, weil man blind an eine lächerliche Vorstellung festhielt.

2.) Wir haben Angst davor nicht verliebt zu sein.
Ja, so ein Zustand in dem man völlig allein ist, nicht einmal für jemanden schwärmen kann, der ist kompliziert, weil wir die Zeit die uns dadurch gegeben wird ja auch viel zu gut dafür nutzen könnten, uns mal selbst zu erfassen - wer wir sind, wer wir sein wollen und vor allem was wir eigentlich wollen und suchen.

So passiert es häufig dass man Menschen kennen lernt, die anziehend aber nicht umwerfend sind, die hübsch anzusehen sind aber keine Ausstrahlung haben, die einen mit ihrem Aussehen ganz rasend machen, innerlich aber uninteressanter nicht sein könnten, die man eigentlich nicht will, die einen aber so liebevoll umwerben dass man sich von seinem schlechten Gewissen gezwungen fühlt, die eigentlich in gar keiner Hinsicht anziehend wirken, die aber gerade da sind, etc. etc. etc.

Weil man aber so gerne verliebt wäre, beginnt man sich das, was da ist schön zu reden. Ob das jetzt das Aussehen betrifft oder irgendeinen beliebigen anderen Faktor, das spielt hierbei keine Rolle. Oft belügt man sich auch selbst ganz feige mit den Worten "Vielleicht braucht das nur Zeit."
Sind wir mal ehrlich: wenn wir uns tatsächlich und unweigerlich verlieben, dann gibt es keine Ausreden oder Beschönigungen mehr, dann ist alles schön und alle Komplikationen sind Nichtigkeiten. Man denkt nicht mehr "iehbah!" sondern "oh nein, wie rebellisch!" wenn der Liebste Drogen nimmt. Dann verschiebt man keine Treffen bis ins Unendliche, dann denkt man nicht darüber nach ob das mit der weiten Entfernung so klappen könnte, ob man sich an Problemchen XY nicht irgendwann gewöhnen könnte, ob Person XY dann noch mit einem redet, und so weiter.
Das muss ja nicht zwangsweise auf den ersten Blick passieren aber wenn dieses Grundgefühl nicht irgendwann gegeben ist, dann sollte man es besser ganz bleiben lassen. Und wenn das Grundgefühl eintritt, sollte man sich vielleicht meine Vorrede aus Punkt 1 noch mal zu Herzen nehmen.

Ein Mittelweg erscheint mir ganz sinnvoll. Ja, ich weiß - das ist ungemütlich mal etwas nachzudenken. Ja, ich weiß, das nimmt auch den ganzen Zauber, der uns so beneidenswert in den ganzen süßen Disney Filmen vorgelebt wird, wenn man die Schmetterlinge im Bauch so trocken analysieren muss - aber ansonsten bekommt man anstatt dessen frauenfreundliche Hochglanz-Pornos mit romantischem Vorspiel. So viel sollten einem jedoch nicht nur die Gefühle des Gegenübers wert sein, sondern vor allem wir selbst sollten uns doch so viel Wert sein - uns erst zu erbarmen, wenn wir das gefunden haben, was wir wirklich wollen. Wenn wir uns in keinerlei Hinsicht mehr nach irgendwem anders umdrehen würden.
Aber da wären wir wieder am Anfang: Dafür müsste man sich ja erst einmal die Zeit nehmen intensiv darüber nachzudenken, was man denn überhaupt will. (Und ja, man muss sich im Laufe seines Lebens vielleicht auch ein paar Mal vertan haben und Fehler gemacht sowie erkannt haben, um herausfinden zu können was man will - das schließe ich gar nicht aus)

Ich beglückwünsche an dieser Stelle auch ganz herzlich diejenigen, die eine glückliche, lange Beziehung führen, obwohl sie völlig entgegengesetzt handelten - ich erdreiste mir zu behaupten, dass ihr die Ausnahme seid. (Manche vielleicht auch einfach nur nicht besonders wählerisch.)

Gerade deshalb ist "Liebe" so ein abgedroschener Begriff, mit dem jeder im Übermaß um sich wirft, wenn es nur ein bisschen im Bauch - wahlweise auch woanders - kribbelt.
Das mag nun meinetwegen auch konservativ und veraltet klingen. In dem Fall bin ich das dann sehr gerne. Es kann ja auch jeder machen, was er gerne möchte - es gibt sicher auch Leute die das so brauchen. Ich möchte aber behaupten, dass sehr sehr Viele sehr sehr viel weniger Schweiß, Blut und Tränen investieren müssten, wenn sie einfach mal ein wenig Muße tun würden.

"Je suis un homme - je suis maître de ma peau."

3 Kommentare:

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  3. Hallo Melanie!

    Dass Du den gesamten Sinn Deiner Existenz und all Dein Streben unter das Zeichen der Liebe stellst, ist Dir hoch
    anzurechnen. Und gerade weil ich Dir darin zustimme, dass unsere Gesellschaft mangels Reflexion ein grundsätzliches Problem mit dem Begriff Liebe hat, widerspreche ich Dir in einem anderen Punkt: die Abwesenheit romantischer Gefühle in zwischenmenschlichen Beziehungen, die man wohl immer häufiger mit Liebe verwechselt, beweist meiner Meinung nach einen großen Mangel derselben.

    Auch wenn Werther nur eine Romanfigur war, ist er Reflexion und Selbstdarstellung seines Schöpfers - und höchstwahrscheinlich auch Teil seiner suizidalen Gedanken. An anderer Stelle habe ich von Dir gehört, dass Du gerne jener Geist sein möchtest, der stets verneint. Meiner Ansicht nach kann dieser Ausspruch eben nur für Mephisto zutreffen, da er in seiner ganz speziellen Rolle menschliches und gottgefälliges Verhalten nach allen Kräften untergräbt.

    Für mich ist ist es kein Zufall, dass Du die Romantik so stark mit der Liebe verknüpfst. Um sowohl diese Theorie als auch meine Überzugung zu untermauern, dass Du absolut kein hoffnungsloser Fall bist, muss ich zunächst einen Übersetzungsfehler bemängeln:

    Den ersten Übersetzungsfehler betrifft das Verb „concedere“. Es hat die Bedeutungen: 1. weichen, entweichen, zurückweichen, weggehen, sich
    verziehen, sich entfernen, fliehen, ei concedere - ihm weichen 2. einräumen, erlauben, gewähren, zugeben, zugestehen, gestatten, nachgeben, einräumen usw.

    Den zweiten Übersetzungsfehler betrifft die Endung des Verbs „concedere“, die "-itur" lautet und damit eine passive Handlung anzeigt, mit dem Subjekt wird hier also etwas gemacht/getan/veranstaltet. Wenn wir demgemäß nochmals auf die oben gezeigten Übersetzungsmöglichkeiten unseres Wortes schauen, werden wir feststellen, dass ausschließlich die
    Zweitbedeutungen einräumen, erlauben, gewähren, zugeben, zugestehen, gestatten, nachgeben u. einräumen passiv verwendet werden können.

    Die Option „erlauben“ erscheint mir am geeignetsten: „Amare et sapere vix deo conceditur“ = „Lieben und gleichzeitig vernünftig sein, das ist nicht einmal einem Gott erlaubt“.


    Soviel zu meinen kleinen Kritikpunkt. Und verzeih mir bitte, dass ich jetzt wieder auf das „Hirngespinst“ Werther zurückkomme! Selbstverständlich würde ich Dir unter allen Umständen erahnbare Suizidgedanken - als Folge vermeintlicher Hoffnungslosigkeit - austreiben wollen. Denn diese sind niemals romantisch, nur in den besten Fällen überemotional oder kitschig, in allen Fällen theatralisch, aber im schlimmsten Falle schädlich für alle.

    Genau so, wie die Sturm- und Drangzeit überwunden wurde, ist die nachfolgende romantische Epoche des 19. Jahrhunderts ein Teil unserer Geschichte nur noch eingeschränkt begreifbar.

    Natürlich haben auch heutzutage die Erkenntnis der romantischen Epoche starken Einfluss auf unser Denken. Die Kernthese der Romantik war, die uns vorgegebene Wirklichkeit als solche radikal abzulehnen. Und wenn Du, geschätzte Melanie, klassische, moderne, neue oder individuelle Romantikerin sein möchtest, wirf Dir bitte nicht vor, ein hoffnungsloser Fall zu sein. Nicht Du, sondern ein erheblicher und augenscheinlich wachsender Teil der gesellschaftlichen Massen ist der hoffnungslose Fall, der im Sinne der Romantik als vorgegeben-normierte Massenwirklichkeit radikal abzulehnen ist. Wie Du selbst schreibst, handelt es sich bei dem Begriff der Liebe um einen abgedroschenen Begriff, mit dem jeder im Übermaß um sich wirft. Das heißt also, dass der Begriff immer bedeutungs- und wertloser wird und damit jede Beziehung zur gehaltvollen Romantik verlieren muss.

    Vertraue Du bitte, ganz im Sinne der Romantik, auf Deine Intuitionen und auf die Ratschläge guter Freunde! Verletzungen und Schmerzen vergehen. Jedoch bleiben diese Erfahrungen oft die besten Lehrmeister, um wahre Erkenntniss über die Liebe mit all ihren Facetten zu erlangen.

    Liebe Grüße und nur die allerbesten Wünsche

    Andreas
    PS: 4096 Zeichen für solch eine wichtige Anglelgenheit sind arg wenig.

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